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DIE ARCHITEKTUR

 

Der Architekt Franz Krüger hat sich mit dem Lüneburger Wasserturm architektonisch an dem aus dem 15. Jahrhundert stammenden Uenglinger Tor in Stendal orientiert.

Hinter den Türmen, Luken und Zinnen des Wasserturms verbirgt sich jedoch eine für den Beginn des 20 Jahrhunderts sehr moderne Technik der Wasserversorgung.

 

Der sternenförmige Grundriss des 56m hohen Wasserturms sollte mit seinen 16 massiven Strebepfeilern im unwahrscheinlichen Fall von massiv austretendem Wasser oder herabstürzendem Wasserbehältern die Statik des Wasserturms sichern.

Die historische Fassade

 

Der Wasserturm Lüneburg ist eines der schönsten Wahrzeichen der Hansestadt. Auf den ersten Blick wirkt er wie ein kleines Märchenschloss im Herzen der Stadt. Türmchen, Zinnen und spitzbogige Fenster schmücken seine beeindruckende Fassade. 


Noch dem Zeitgeist des 19. Jahrhunderts verpflichtet, entwirft der Architekt Franz Krüger 1905 einen Bau, dessen Fassade die damals hochmoderne Technik des Turminneren kaum widerspiegelt. Krüger zitiert die Formen der Vergangenheit, die der in Lüneburg reich erhaltenen Backsteingotik.

Mit einer bis heute vorliegenden Federzeichnung bewirbt sich der Architekt Franz Krüger bei der Stadt Lüneburg um den Auftrag für den Bau des neuen Wasserturms: unter dramatischem Wolkenhimmel reckt sich majestätisch die Krone des Turmes empor.

 

Das Gebäude liegt malerisch eingebettet in die Hügel des Roten Walles, den Resten der mittelalterlichen Stadtbefestigung.

 

Im Hintergrund sind die Kirche St. Johannis und das Kaland-Haus erkennbar.

 

Die Südseite des Turmsockels ist heute durch den Anbau der Nordlandhalle aus den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts verdeckt.

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Architektonisches Vorbild

 

Pate für die Gestaltung der Turmfassade war offensichtlich das Uenglinger Tor. Es stammt aus dem 15. Jahrhundert und diente als Stadttor der Stadt Stendal in der Altmark.

Ein Vergleich der beiden Gebäude macht es gut nachvollziehbar, dass Krüger die horizontale Gliederung der Turmfassade durch umlaufende Friese kopiert.

Auch die vier Türme, verbunden durch Galerien, tauchen an den Ecken des Lüneburger Wasserturms wieder auf.

 

Den tonnenförmigen Aufbau streckt Krüger am Wasserturm, um die für den Wasserdruck notwendige Höhe zu erreichen.

 

Türme, Luken und Zinnen dienen im beginnenden 20. Jahrhundert am Wasserturm nur noch als Schmuck der Fassade.

Nicht zuletzt musste sich der Architekt Franz Krüger nach dem Geschmack und Willen seiner Auftraggeber, in diesem Fall dem der Stadt Lüneburg, richten.

Das beschreibt der zeitgenössische Artikel:

„Für die äußere Formgebung des Bauwerks war...die selbstverständliche Forderung aufgestellt worden, dass es sich dem Stadtbilde möglichst harmonisch eingliedern sollte. 
Ein Wasserturm ist...eine Notwendigkeit für eine moderne Stadt, und sein Erscheinen im Stadtbilde wird immer zuerst fremdartig in das liebgewonnene, überkommene Bild eingreifen.“

- Krüger in der Zeitschrift für Architektur- und Ingenieurwesen 1908

 

Ob dem Architekten das gelungen ist, daran scheiden sich wohl bis heute die Geister.

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Der architektonische Aufbau

 

Der Turm gliedert sich in einen über 18 Meter hohen Sockel, auf dem die Wasserfilter stehen und der nach außen hin durch die umlaufende Galerie erkennbar wird. Über der Galerie strebt der runde Mauerschaft des Turms, optisch durch 16 starke Pfeiler gegliedert, bis zu der Höhe von 39 Metern empor. Auf dem Rand dieser Pfeiler liegen die Stehbleche auf, die den Hochbehälter tragen. Von hier ab steigt der runde Körper des Turms, die Ummauerung des Hochbehälters, nach einer Auskragung von 18 Zentimetern auf den Außenseiten der Pfeiler bis zur vollen Höhe mit dem Zinnenabschluß auf.

Der sternenförmige Grundriß des Wasserturms sollte mit seinen 16 massiven meterdicken, sternenförmig angeordneten Strebepfeiler im "Ernstfall" (austretendes Wasser, herabstürzender Stahlbassin) die Statik des Wasserturms sichern.

Das mangelnde Bewusstsein der 80er Jahre
 

„Der Lüneburger Wasserturm […] wird gelegentlich im Ensemble prächtiger Bauten, die das Stadtbild bestimmen, als Fremdkörper angesehen.“

- Merkl / Baur / Gockel / Meviius (1985) S.240

 

Dieses Zitat aus den 80er Jahren zeigt die ablehnende Haltung manches Bürgers gegenüber der trutzig-gewaltigen Erscheinung des Wasserturmes. Auch ein Leserbrief an die Lüneburger Landeszeitung spiegelt das damalige Bewusstsein und die Diskussion um die Erhaltung des Wasserturms wider:

„Es ist ja unglaublich, dass nahezu alles, was mehr als 75 Jahre alt ist, unter Denkmalschutz gestellt wird. Statt froh zu sein, dass diese bombastische Scheußlichkeit in absehbarer Zeit nicht mehr die Silhouette unserer schönen Stadt verschandelt, wird offenbar überlegt, woher man Hunderttausende nehmen kann, um ein inzwischen überflüssiges und abbruchreifes Bauwerk zu erhalten.“

- LZ-Leserbrief aus den 80er Jahren

Wie unsensibel damals verfahren wurde, zeigt die direkt an den alten Backsteinturm gesetzte Betonarchitektur der Nordlandhalle. Der Anbau zerstörte den ursprünglich sehr reizvollen Bezug des Wasserturms zum Clamart-Park und Roten Wall völlig.

Wären die Kosten für den Abriss 1985 nicht ebenso hoch gewesen wie die veranschlagten Instandhaltungskosten, hätte der Wasserturm wohl dem modernen Bau der Nordlandhalle weichen müssen. So blieb er jedoch aufgrund ganz pragmatischer Überlegungen bestehen. Erst nach dem Scheitern der Abrisspläne wurde der Wasserturm unter Denkmalschutz gestellt.
Dem gewandelten Bewusstsein der neunziger Jahre ist es zu verdanken, dass dem Lüneburger Wasserturm heute der ihm gebührende Platz in der städtischen Architekturgeschichte eingeräumt wird. Das Interesse an der Erhaltung des Baudenkmals ist mittlerweile groß.

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Literatur zur Wasserturm-Geschichte und -Technik


Jutta Kaufhold / Michael Posern

Der Wasserturm in Lüneburg, Studienarbeit im Fachgebiet Architektur an der Fachhochschule Hamburg, 1986.

(liegt als Kopiervorlage vor)

Franz Krüger

Der Wasserturm in Lüneburg, in: Zeitschrift für Architektur- und Ingenieurwesen, Jahrgang 54, 1908.

(einsehbar in der Ratsbücherei Lüneburg)

Gerhard Merkl / Albert Baur / Bernd Gockel / Walter Mevius:

HISTORISCHE WASSERTÜRME. Beiträge zur Technikgeschichte von Wasserspeicherung und Wasserversorgung, München und Wien 1985. (entleihbar in der Ratsbücherei Lüneburg)

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